Mobilfunktechnologie 5G: Grundstein flexibler Fertigungen

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Die Anfor­de­rungen an Produk­ti­ons­an­lagen und -prozesse werden immer höher: Um wett­be­werbs­fähig zu bleiben, müssen Unter­nehmen ihre Produkte immer flexibler, effi­zi­enter und autonomer fertigen. Dafür greifen sie verstärkt auf inno­va­tive Tech­no­lo­gien zurück, digi­ta­li­sieren Produk­ti­ons­ab­läufe und entwi­ckeln auf dem Weg Richtung Industrie 4.0 neue Geschäfts­mo­delle. Eine wichtige Rolle dabei wird zukünftig auch die Mobilfunktechnologie 5G spielen. Welche Vorteile und welche Heraus­for­de­rungen der neue Mobil­funk­stan­dard mit sich bringt und wie auch kleine und mittlere Unter­nehmen (KMU) von ihm profi­tieren können, erläutert Raphael Kiesel, Ober­inge­nieur am Werk­zeug­ma­schi­nen­labor WZL der RWTH Aachen und Community Manager des »Inter­na­tional Center for Networked Adaptive Produc­tion« (ICNAP), im Interview.

Interview mit Raphael Kiesel / Wie der neue 5G-Standard Prozesse opti­mieren kann

Mittelstand-Digital Zentrum Rheinland: Was genau steckt hinter der Bezeich­nung 5G?

Kiesel: 5G bezeichnet die 5. Gene­ra­tion des Mobilfunk und ist der Nach­folger von 4G, der auch LTE genannt wird . 5G ist die neue Gene­ra­tion des Mobil­funk­netzes – schneller und leis­tungs­fä­higer. Der Sprung von 4G auf 5G ist dabei wirklich immens. Dadurch ergeben sich insbe­son­dere für die Industrie enorme Möglich­keiten.

Welche Vorteile bringt der 5G Mobil­funk­stan­dard?

Wenn man von 5G spricht, spricht man über ein Netz, das Indus­trie­stan­dards erfüllt. Es bietet unter anderem eine hohe Datenrate bis zu 10 Gbit/s und geringe Latenzen von bis zu 1 Milli­se­kunden. Das ist nahezu Echtzeit.  Zudem kann 5G Daten von vielen Geräten und Maschinen auf engstem Raum ohne Störungen über­tragen. Für private User ist 5G sehr komfor­tabel und bequem. Videos können zum Beispiel sehr viel schneller herun­ter­ge­laden werden. Für Indus­trie­un­ter­nehmen ist 5G hingegen in der Produk­tion und bei sicher­heits­kri­ti­schen Prozessen sehr wichtig und relevant. Die Zuver­läs­sig­keit von 5G liegt bei bis zu 99,999 Prozent.

In welchen Branchen und Unter­neh­mens­be­rei­chen ist der Einsatz von 5G sinnvoll?

Das ist aktuell noch schwer zu sagen. Zurzeit ist 5G ja nicht flächen­de­ckend ausge­rollt. Es gibt erste Netze und die werden Schritt für Schritt erweitert. Aber grund­sätz­lich gilt: Überall da, wo produ­ziert wird, kann 5G inter­es­sant sein. Das Netz optimiert die kabellose Daten­über­tra­gung und ist wichtiger Enabler flexibler, digi­ta­li­sierter Ferti­gungen. Wenn es zum Beispiel um autonome Produk­tionen und den Einsatz Künst­li­cher Intel­li­genz geht, ist es immer wichtig, Daten zu erfassen, auszu­werten und auch zurück an die Maschinen zu senden. Damit das gelingt, brauche man ein Kommu­ni­ka­ti­ons­netz­werk. Da kommt 5G ins Spiel: Mit diesem Mobil­funk­stan­dard können Maschinen und Prozesse vernetzt werden, bei denen das bisher nicht möglich war.

In Aachen ist man im Umfeld der RWTH Aachen am Campus Melaten in der Forschung zur 5G-Tech­no­logie sehr aktiv …

Ja, wir betreiben gemeinsam mit Ericsson, dem schwe­di­schen Anbieter für Mobilfunk- und Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­logie, eine 5G-Test­um­ge­bung. Dort können wir indus­tri­elle Anwen­dungs­sze­na­rien entwi­ckeln und prüfen. Ein aktueller Fall aus der Industrie ist das Moni­to­ring eines Fräs­pro­zesses hoch­kom­plexer Bauteile für den Turbo­ma­schi­nenbau. Mit der 5G-Tech­no­logie und einem von uns entwi­ckelten Sensor können erstmals kabellose Sensor­ver­bin­dungen für Daten­ana­lysen einge­setzt und der Fräs­pro­zess in Zukunft dank der schnellen Daten­ver­ar­bei­tung direkt angepasst werden.

Darüber hinaus gibt es hier den 5G Industry Campus Europe und das Inter­na­tional Center for Networked, Adaptive Produc­tion (ICNAP). Unser Ziel ist es, anhand von Use Cases zu testen, welche Anwen­dungs­fälle für die Produk­tion sinnvoll und relevant sind. 5G ist in aller Munde. Aber: Was muss 5G können? Wo liegen Poten­ziale? Diesen Fragen gehen wir nach.

Welche Vorteile bietet der neuen Mobil­funk­stan­dard denn insbe­son­dere für kleine und mittlere Unter­nehmen?

KMU können grund­sätz­lich genauso von der 5G-Tech­no­logie profi­tieren wie große Unter­nehmen und Konzerne auch. Wichtig ist aber, genau hinzu­schauen: Wo möchte ich mit 5G arbeiten? An welchen Stellen in der Produk­tion ist das sinnvoll? Und auch die Voraus­set­zungen müssen stimmen. Wenn die Mehrzahl der Prozesse noch papier­ba­siert ist, hat 5G wenig Mehrwert. Einen gewissen Digi­ta­li­sie­rungs­rei­fe­grad braucht es da einfach schon. An diesem Punkt unter­stützen wir Unter­nehmen gerne mit unserem 5G-Audit: Wir gehen in die Unter­nehmen und schauen vor Ort, welche Ausgangs­si­tua­tion besteht und welche Prozesse sich für 5G lohnen würden. Und dann begleiten wir die Imple­men­tie­rung.

Welche Heraus­for­de­rungen kommen denn in der Regel bei der Einfüh­rung von 5G auf Unter­nehmen zu?

Das hängt natürlich immer von der Ausgangs­si­tua­tion des jewei­ligen Unter­neh­mens, seinen Produkten und Prozessen ab. Erst einmal sollten anhand eines Use Case die wich­tigsten Fragen gestellt und beant­wortet werden: An welcher Stelle möchte ich 5G einsetzen? Welche Sensoren sind wichtig? Wie sehen meine Regel­kreise aus, die am Ende entstehen? Ist man sich darüber klar­ge­worden, muss das passende Netz ausge­wählt werden. In einem nächsten Schritt kommt dann die Frage, welche weiteren Prozesse ange­gangen und vernetzt werden könnten.

Und natürlich wird sich mit der 5G-Tech­no­logie auch die Hardware verändern. Das ist noch eine große Unbe­kannte und ein klas­si­sches Problem, wenn man eine neue, sehr umfas­sende Tech­no­logie in einen beste­henden Betrieb einbringt. Aber auch hier haben wir mit dem 5G Campus und ICNAP ein Angebot entwi­ckelt, um Unter­nehmen Berüh­rungs­ängste zu nehmen und gemeinsam zu schauen, wo der Einsatz von 5G realis­tisch und mit möglichst vielen Vorteilen verbunden ist.

Herr Kiesel, vielen Dank für das Gespräch über das Thema Mobilfunktechnologie 5G!