Einsatz von KI für verbesserte Planungsgenauigkeit in der Produktion
Umsetzungsbegleitung mit der Ortlinghaus-Werke GmbH
Industrie 4.0 hat für die Ortlinghaus-Werke GmbH einen hohen Stellenwert. Das Familienunternehmen, das an seinem Standort in Wermelskirchen Kupplungen, Bremsen und Antriebslösungen herstellt, setzt auf kontinuierliche Digitalisierungsmaßnahmen und die Etablierung innovativer Technologien. Gemeinsam mit Digital in NRW, dem Vorläufer des Mittelstand-Digital Zentrum Rheinland, hat der Mittelständler bereits eine Montagelinie digital vernetzt und weitgehend papierlos gestaltet. Jetzt betritt das Maschinenbauunternehmen Neuland: Unterstützt vom Kompetenzzentrum prüft Ortlinghaus die Einbindung Künstlicher Intelligenz (KI) in seine Produktionsprozesse.
Potenzialanalyse: Welche Möglichkeiten bietet KI?
„Ortlinghaus ist in Sachen Digitalisierung von der Entwicklung über die Produktion bis zur Auslieferung der Produkte sehr fortschrittlich und professionell aufgestellt. Das sind ideale Voraussetzungen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz“, erzählt Frederick Sauermann, Gruppenleiter und KI-Experte am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen. Als KI-Trainer begleiteten er und weitere Experten von Digital in NRW das Unternehmen auf dem Weg dorthin – über eine Projektlaufzeit von sieben Wochen hinweg.
Zunächst wurden im Rahmen eines Unternehmensbesuchs die Vorteile und Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in KMU vorgestellt, ein Verständnis für diese Technologien geschaffen und der mögliche praktische Transfer auf Prozesse von Ortlinghaus diskutiert. Dann folgte eine so genannte Potenzialanalyse: „Ziel war es, herauszufinden, welche Prozesse durch Künstliche Intelligenz optimiert werden können und welche Herausforderungen damit verbunden sind“, erklärt Frederick Sauermann, der mit seinem Team Daten für mögliche KI-Anwendungsfälle identifizierte und für eine erste Pilotanwendung auswertete: „Besonderes Potenzial für den Einsatz von KI liegt bei Ortlinghaus in der Bestimmung von Produktionsdurchlaufzeiten.“
Gute Prognosen für komplexe Prozesse
„Das richtige Timing ist in der Produktion das A & O“, weiß auch Bastian Franzkoch, Geschäftsführer der Ortlinghaus-Werke GmbH. „Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir zeiteffizient produzieren und lange Wartezeiten für unsere Kunden vermeiden.“ Das bringt so manche Herausforderung für den Betrieb mit sich. Wie ist die aktuelle Auslastung? Wie sieht der aktuelle Produktmix in der Produktion aus? Gibt es einen hohen Krankenstand in der Belegschaft? Diese und viele weitere Fragen sind tagtäglich aufs Neue zu beantworten, um zeit- und kostenoptimiert zu produzieren. Wenn aber für zukünftige Aufträge nur schwer abgeschätzt werden kann, wie lange welches Produkt unter welchen Rahmenbedingungen im Durchlauf braucht, sind auch die Produktionsprozesse schwer aufeinander abzustimmen und die Lieferzeiten nicht genau zu kalkulieren. „Hier kann der Einsatz Künstlicher Intelligenz helfen“, ist Frederick Sauermann überzeugt. „Sie ermöglicht gute Prognosen – auch bei komplexen Produktionsprozessen.“
Algorithmus „lernt“ aus Auftragsdaten
Das zeigt auch das erfolgreich beendete Pilotprojekt von Digital in NRW und Ortlinghaus. Daten zu mehr als 10.000 historischen Produktionsaufträgen haben die Fachleute des Kompetenzzentrums dafür in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zusammengetragen und analysiert. Wie sahen die Durchlaufzeiten aus? Welche Maschinen wurden genutzt? An welchen Tagen wurden die Aufträge produziert? Mit wie vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wurde an den Bauteilen gearbeitet? „Auf Basis dieser Rückmeldedaten haben wir ein Pilot-Prognosemodell für Durchlaufzeiten in Programmcode umgesetzt“, erklärt Sauermann das weitere Vorgehen. Und dieser Algorithmus lernt. Mit jedem Auftrag, der ergänzt wird. Mit allen Daten, die hinzugefügt werden, wird der Programmcode trainiert – und erkennt die Zusammenhänge zwischen möglichen Einflussfaktoren und der Durchlaufzeit. „Auf diese Weise können die Produktionszeiten genauer prognostiziert und die Abläufe optimiert werden“, ist Frederick Sauermann sicher.
Grundlage für KI-Einsatz gelegt
Das Ergebnis des Pilotprojekts gibt ihm recht: Bei dem Vergleich der Prognose des Algorithmus und der tatsächlichen Durchlaufzeiten kam der Programmcode auf eine Klassifikationsgenauigkeit von bis zu 65 Prozent. Das entsprach einer Verbesserung bisheriger Schätzungen um 14 Prozent. Damit haben Digital in NRW und Ortlinghaus eine wichtige Basis für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in dem Wermelskirchener Unternehmen gelegt. „Auf diesem Ansatz können wir in Zukunft aufbauen, um unsere Prozesse kontinuierlich weiter zu optimieren“, so Bastian Franzkoch.
Planungsgenauigkeit erhöht
Doch auch schon jetzt profitiert das Unternehmen von den Projektergebnissen. „Im Rahmen der Auswertungen haben wir auch die relevanten Einflussfaktoren auf die Durchlaufzeit identifiziert und eine Top Ten erstellt“, erklärt Frederick Sauermann. Diese reichen von der Anzahl an Arbeitsvorgängen für einen Auftrag über Rüstzeiten an hoch ausgelasteten Maschinen bis hin zu besonders langwierigen Arbeitsschritten wie der Wärmebehandlung. „All diese Faktoren wirken sich stark auf die Durchlaufzeit der Aufträge aus“, so Sauermann. Werden diese bei der Auftragsplanung gezielt in den Blick genommen, kann die Planungsgenauigkeit schon jetzt erhöht, die Lieferzeit verkürzt werden und vor allem die Termintreue gesteigert werden.