Autonome Systeme machen Logistik flexibler

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Drohnen-Pilo­tie­rung in Aachen vermit­telt mittel­stän­di­schen Unter­nehmen Vorteile „hands-on“

Durch den Einsatz von autonomen Trans­port­fahr­zeugen, Robotern oder Drohnen können gerade kleine und mittlere Unter­nehmen (KMU) ihre Prozesse in der Produk­tions- und Instand­hal­tungs­lo­gistik deutlich effi­zi­enter gestalten und ihre Wert­schöp­fung verbes­sern. Mit der jüngsten Pilo­tie­rung einer Trans­port­drohnen-Lösung in der Aachener Demons­tra­ti­ons­fa­brik präsen­tiert das Werk­zeug­ma­schi­nen­labor WZL im Rahmen von „Digital in NRW“, dem Vorläufer des Mittelstand-Digital Zentrum Rheinland, einen inter­es­santen Baustein zur Opti­mie­rung von Logis­tik­ketten in KMU.

Kleine und mittel­stän­di­sche Unter­nehmen stehen derzeit vor der Heraus­for­de­rung, Produk­tion und Logistik auf immer kürzer werdende Produk­ti­ons­zy­klen und immer kunden­in­di­vi­du­el­lere Produkte („Losgröße 1“) auszu­richten. Weil heute in einem Produk­ti­ons­schritt zahl­reiche unter­schied­liche Klein­teile verbaut werden müssen, sind immer mehr Mitar­beiter damit beschäf­tigt, diese in Klein­la­dungs­trä­gern von A nach B zu befördern. Trotzdem kann das Material oft nicht innerhalb der erfor­der­li­chen drei bis vier, sondern erst nach 20 oder 30 Band­takten zur Verfügung gestellt werden. Die Folge: Produk­ti­ons­ab­läufe werden unter­bro­chen, Bänder stehen still. Viele Betriebe sind deshalb inzwi­schen dazu über­ge­gangen, mehr Material direkt an den Arbeits­plätzen vorzu­halten.

So sparen sie Wege­zeiten zwischen Lager und Produk­tion und gleichen zudem Liefer­schwan­kungen aus. Tatsäch­lich sorgt die Anhäufung von Material jedoch für vermehrte Monta­ge­fehler, weil Mitar­beiter Teile falsch entnehmen. Auch in der Kommis­sio­nie­rung kennt man das Problem. „Damit die Logistik für Unter­nehmen einfacher wird, müssen Mitar­beiter von laufenden, suchenden und brin­genden Tätig­keiten entlastet werden“, sagt Shari Wlecke, wissen­schaft­liche Mitar­bei­terin am Werk­zeug­ma­schi­nen­labor der RWTH Aachen und Projekt­lei­terin bei Digital in NRW „Inno­va­tive Lösungen dafür bietet die autonome Logistik: Trans­port­fahr­zeuge, Roboter und Drohnen, die ihre Wege selbst­ständig planen und dynamisch anpassen, ermög­li­chen es den Mitar­bei­tern, sich auf wert­schöp­fende Arbeiten zu konzen­trieren.“

Foto: Henrik Hose, Aachen

Logistik in die Luft verlagern

Einen Eindruck davon, welchen Beitrag speziell die Droh­nen­tech­no­logie in Zukunft zur Flexi­bi­li­sie­rung der Logistik leisten wird, kann man sich seit neuestem am Werk­zeug­ma­schi­nen­labor der RWTH Aachen verschaffen. Digital in NRW hat dort in der Demons­tra­ti­ons­fa­brik eine Lösung zum inner­be­trieb­li­chen Transport von Klein­teilen mit einem autonomen Flug­ro­boter erfolg­reich pilotiert. Zum Model­l­aufbau gehören eine Drohne im Maßstab 1:4 sowie zwei Racks, an denen der autonome Flug­ro­boter andocken kann. Entwi­ckelt wurde die Lösung von dem Aachener Start-up SKYTR (sprich: Skytrain). Die Gründer wollen Unter­nehmen in die Lage versetzen, den aktuellen Heraus­for­de­rungen des Marktes gezielt Rechnung zu tragen.

„Mit unserer autonomen Trans­port­drohne lässt sich ein Teil der Logistik vom Boden in die Luft verlagern und die Logistik dem Bandtakt anpassen“, erläutert Henrik Hose, einer der Gründer, den wesent­li­chen Vorteil der Lösung. „Die Drohne bringt alle notwen­digen Teile just-on-demand an die Monta­ge­ar­beits­plätze. Band­still­stände – und die damit verbun­denen Kosten – lassen sich so verhin­dern.“ Der Flug­ro­boter ist dabei unab­hängig von festen Routen, findet seinen Weg selbst­ständig und legt auch verwin­kelte Strecken problemlos zurück. Bis zu fünf Kilo Ladung kann die Drohne aufnehmen.

Das Potenzial für die autonome Logistik und insbe­son­dere für die Droh­nen­tech­no­logie ist nicht zuletzt auch in der Instand­hal­tung hoch. Müssen im Rahmen einer Wartung oder Reparatur einer Maschine Ersatz­teile aus dem Lager beschafft werden, stehen die Mitar­beiter meist unter einem massiven Zeitdruck. Durch die Warte­zeiten verur­sachte Still­stände können zudem hohe Kosten verur­sa­chen. Eine autonome Trans­port­drohne dagegen kann für eine schnelle Verfüg­bar­keit von Ersatz­teilen sorgen. Das rechnet sich insbe­son­dere für Unter­nehmen mit großen, verzweigten Firmen­ge­länden, wie sie oft bei tradi­ti­ons­rei­chen, organisch gewach­senen Betrieben zu finden sind.

Foto: Henrik Hose, Aachen

Neue Lösungen schließen Lücken

Digital in NRW begleitet kleine und mittlere Unter­nehmen bei der ziel­ori­en­tierten und syste­ma­ti­schen Umsetzung solcher Industrie 4.0-Lösungen. „Viele Betriebe fürchten, dass mit der Einfüh­rung von autonomer Logistik hohe Inves­ti­ti­ons­kosten verbunden sind“, weiß Shari Wlecke. „Tatsäch­lich lassen sich viele Lösungen gekapselt einsetzen. Das heißt: Sie können einfach in bisherige Prozesse inte­griert werden. Dabei schlagen sie Brücken zur heutigen Technik und schließen die Lücken.“ Auch die Gründer von SKYTR wissen, dass sich gewach­sene Systeme nicht von jetzt auf gleich, sondern nur Schritt für Schritt verändern lassen. Henrik Hose: „Mit unserer Trans­port­drohne wollen wir Tech­no­lo­gien, die das Unter­nehmen ohnehin besitzt oder einsetzt, vielmehr vervoll­stän­digen.“

Auch neuartige Geschäfts­mo­delle tragen dazu bei, dass sich auch kleine und mittlere Unter­nehmen inno­va­tive Tech­no­lo­gien leisten können: Durch Pay-per-Use-Modelle etwa entfallen Inves­ti­ti­ons­kosten in die Infra­struktur. Unter­nehmen zahlen nur für die Leistung, die sie abrufen. Gleich­zeitig erhalten sie ein „Rundum-sorglos“-Paket mit Wartung, Reparatur und Updates. Auch die SKYTR-Drohne sollen Unter­nehmen auf der Basis dieses Prinzips einsetzen. Den Gründern zufolge können sich mehr als 20 Prozent aller kleinen und mittel­stän­di­schen Betriebe in NRW durch die Droh­nen­lo­gistik wesent­liche Kosten­vor­teile erschließen.

Foto: Henrik Hose, Aachen

Autonome Logistik auf Knopf­druck

In der Aachener Demons­tra­ti­ons­fa­brik geht der Droh­nen­ro­boter nach der Pilo­tie­rung bei Digital in NRW derzeit in die nächste Runde: Die SKYTR-Gründer bereiten sich auf das erste Pilot­pro­jekt mit Indus­trie­kunden vor. Das Umfeld in der Demons­tra­ti­ons­fa­brik Aachen bietet den notwen­digen Raum für die Weiter­ent­wick­lung des Flug­ro­bo­ters. „Die Infra­struktur der Fabrik zeichnet sich durch eine hohe Konnek­ti­vität und eine Fülle an Daten­er­zeu­gungs- und Kommu­ni­ka­ti­ons­punkten aus“, sagt Henrik Hose und schmun­zelt: „Hier funkt wirklich jede Maschine, jedes Gerät und jede Kiste.“

Mit den möglichen Inter­fe­renzen muss die Drohne, die zuvor nur unter Labor­be­din­gungen getestet wurde, erst einmal klar­kommen. Ein weiterer wichtiger Punkt: die Inter­ak­tion mit dem Menschen. Anders als im Labor sind in der Demons­tra­ti­ons­fa­brik immer auch Menschen unterwegs. Die Drohne muss „lernen“, diese als Hinder­nisse zu erkennen und auf ihrem Weg zu umfliegen. Nicht zuletzt geht es darum, wie beispiels­weise eine Verän­de­rung der Licht­ver­hält­nisse die Wahr­neh­mung der Drohne durch den Menschen beein­flusst.

Für Unter­nehmen wird die Droh­nen­tech­no­logie in der Demo­fa­brik im wahrsten Sinn des Wortes anfassbar: Besucher können den Flug­ro­boter per Knopf­druck auf seine Reise von Rack zu Rack schicken und beob­achten, wie sicher die Drohne Flug und Transport meistert. „Die Pilo­tie­rung hilft uns dabei, das Thema autonome Logistik für kleine und mittlere Betriebe trans­pa­renter zu machen“, so Shari Wlecke vom WZL. „Wir freuen uns schon darauf, Unter­nehmen so einmal mehr zusam­men­zu­bringen und Kontakte zu schaffen.“

Projektsteckbrief

Titel: Skytr – Pilo­tie­rung einer Trans­port­drohnen-Lösung in der Demonstrations­fabrik Aachen

Projekt­partner: Skytr, Werk­zeug­ma­schi­nen­labor WZL der RWTH Aachen

Laufzeit: Juni 2019 bis Juni 2020

Das Vorhaben in Stich­worten:

  1. Auswahl eines passenden Anwen­dungs­falls in Demonstrations­fabrik Aachen
  2. Erfassung der statischen und dynamischen Umgebung für die autonome Flugdynamik­berechnung
  3. Definition der zu trans­por­tier­enden Materialien sowie der festen Be-/Entladebereiche
  4. Entwicklung und Konstruktion der Be- und Entladeracks sowie deren Integration in die DFA Umgebung
  5. Einbindung des Drohnen­systems in die DFA Kommunikationsstruktur
  6. Überprüfung von Kommu­ni­kations­interferenzen und Validierung des Pilotprojekts